Josephine Tey veröffentlichte im Jahre 1951 den Roman „The Daughter of Time“ den die britische Crime Writers Association zur „the greatest crime novel of all time“ kürte.
Nun habe ich immer Schwierigkeiten, wenn jemand oder etwas mit dem Titel „aller Zeiten“ bezeichnet wird. Mein Vater sagte schon immer: „Es ist noch nicht aller Tage Abend.“ Wie wahr. Wir wissen nicht, welche Kriminalromane noch geschrieben, welche Filme noch gedreht, welche Sportrekorde noch aufgestellt werden. Eine Formulierung, etwa „der bisher beste Kriminalroman“ wäre doch auch eine Auszeichnung.
Aber trifft das auf den im Kampa Verlag in überarbeiteter Übersetzung (Maria Wolff) erschienenen Roman zu?
„Alibi für einen König“ ist eine spannende Lektüre. Aber es ist kein Kriminalroman im herkömmlichen Sinn. Zwar „ermittelt“ ein Inspektor von Scotland Yard, aber reicht das aus? Der arme Grant hatte einen Unfall und ist nach einer Operation an das Krankenhausbett gefesselt. Eine Freundin versorgt ihn mit Literatur, die ihn aber nicht weiter interessiert. Schließlich: „Es werden viel zu viele Menschen geboren und viel zu viele Wörter geschrieben. Jede Minute kommen Millionen und Abermillionen Wörter aus den Druckmaschinen. Ein grauenhafter Gedanke.“ Und: „Die aktuellen Autoren schrieben so schematisch, dass ihr Publikum es gar nicht mehr anders erwartete.“
Diese Freundin versucht es daraufhin mit Bildern im Postkartenformat. Grant, der geschulte Kriminalist, hatte Spaß daran, aufgrund der Physiognomie Rückschlüsse auf den Charakter der Menschen zu ziehen. Und auf diese Weise fällt ihm das Porträt von Richard III. in die Hände, das in der National Portrait Gallery in London hängt (Künstler unbekannt, aber für uns Lesende leicht dank des Internetzes zu begutachten).
Eine Initialzündung! Denn Grant sieht nicht das Bild eines Schurken, eines Buckligen, eines Kindermörders, wie wir alle den Mann dank Shakespeares Tragödie zu kennen glauben, sondern er hatte diesen Mann „von der Anklagebank auf den Richterstuhl“ versetzt.
Von da an gibt es kein halten mehr. Mit Hilfe eines jungen Amerikaners, der wegen der Liebe in London ist und seinem Vater beweisen möchte, dass er auch über Fähigkeiten verfügt, wird die Geschichte neu aufgerollt. Es stellt sich später heraus, dass dies vor ihnen schon andere getan hatten, aber offensichtlich ist die Mär vom bösen Richard nicht zu beenden. Schließlich ist die Wahrheit das Kind der Zeit.
Am Ende des Romans steht fest, dass unser Bild von Richard III. zu revidieren ist. Der König verfügt tatsächlich über so etwas wie ein Alibi.
Was die Autorin nicht wissen konnte: Im Jahre 2013 wurde in Leicester auf einem Parkplatz das Skelett dieses Königs ausgegraben und 2015 in der Kathedrale von Leicester würdig bestattet.
Ein interessanter durchaus lesenswerter Roman!
Mehr aber auch nicht!