„Der Sommer rückte mich an die Hohenzollern heran. In Potsdam waren es das neue Palais und Sanssouci, Wildpark und Charlottenhof, in Babelsberg das Schloss und seine Gärten, die unseren Sommerwohnungen benachbart waren. Die Nähe dieser dynastischen Anlagen störte mich beim Spielen nie, indem ich mir die Gegend, die im Schatten der königlichen Bauten lag, zu eigen machte. Man hätte die Geschichte meiner Herrschaft schreiben können, die von meiner Investitur durch einen Sommertag bis zu dem Rückfall meines Reiches an den Spätherbst sich erstreckte. Auch ging mein Dasein ganz in Kämpfen um dieses Reich dahin. Sie hatten es mit keinem Gegenkaiser, sondern mit dieser Erde selbst und mit Geistern, welche sie gegen mich entbot, zu tun.“

Das sind die Kindheitserinnerungen eines der großen deutschen Intellektuellen, als er schon um die vierzig Jahre alt und bereits nach Frankreich emigriert war. Es sind Sätze oder Teile eines Satzes wie: „… und etwas Sonntag blieb auf dem Grund der Woche.“, die von der Sprachgewalt des Autors Walter Benjamin Zeugnis ablegen.

Die Erinnerungen „Berliner Kindheit um 1900“ sind keine leichte Lektüre. Die meist kurzen Stücke erfordern Konzentration vom Lesenden. Dafür wird der Lesende reich beschenkt mit einer magisch anmutenden Sprache und manchmal scheinen Bilder durch, die den Erinnerungen der eigenen Großeltern ähneln.

Am Ende lese ich im Nachwort des editorischen Postskriptums von Theodor W. Adorno: „Die Märchenphotographie der ‚Berliner Kindheit‘ – das sind nicht nur Trümmer aus der Vogelperspektive des längst entrückten Lebens, sondern auch Momentaufnahmen aus dem luftigen Staate, welche jener Aeronaut knipste, indem er seine Modelle dazu bewegte, recht freundlich still zu halten.“

Ich kann die Lektüre nur empfehlen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert