In dem schmalen Band aus dem Diogenes Verlag versammelt Hartmut Lange fünf Novellen, die unter dem Titel „Das Haus in der Dorotheenstraße“ herausgegeben werden. Auf die Frage, ob es sich wirklich immer um Novellen im strengen Sinne Goethes handelt („eine sich ereignete unerhörte Begebenheit“), komme ich zurück.
Auf dem Umschlag ist ein Gemälde von Gustave Caillebotte abgedruckt: „Jeune homme à la fenêtre“. Dieses Bild spielt in einer Erzählung des Autors eine Rolle, gehört aber nicht zu den hier vorgestellten Novellen.
Ein anderes Gemälde des Malers spielt in der ersten Novelle „Die Ewigkeit des Augenblicks“ (ja sie ist eine im strengen Sinne des Meisters) die Hauptrolle. Sie handelt von einem Mann, der durch den Tod der Ehefrau völlig aus der Bahn geworfen wird. Er möchte gern das Poster des Gemäldes „Rue de Paris, temps de pluie“, das er und seine Frau in einer Ausstellung in Paris gesehen hatten, aus der längst gekündigten Wohnung haben. Die Wohnung ist wieder vermietet, der neue Mieter, ein Anwalt spezialisiert auf Scheidungsrecht, versichert dem Mann, dass das Poster nicht mehr in der Wohnung sei. Unser Mann, will das Gemälde noch einmal sehen, begibt sich nach Paris und muss feststellen, dass das Gemälde nur eine Leihgabe für eine Sonderausstellung war und nun wieder zurück in Chicago sei. Die Verzweiflung wird für den Mann übermächtig.
Für mich ist diese Novelle, die stärkste in dem schmalen Band. Mit dem „Haus in der Dorotheenstraße“ und „Der Schatten“ sind die drei Erzählungen genannt, die sich auf unterschiedliche Weise mit dem Verhältnis zwischen Frauen und Männern beschäftigen. Wobei im Sinne der Goethe-Definition weder der Schatten noch die Dorotheenstraße Novellen sind. Im Falle der titelgebenden Erzählung bleibt das Ende offen. Ob die unerhörte Begebenheit stattfindet (in diesem Fall ein Mord) wissen wir nicht, die Lesenden können nur spekulieren. Im Falle des Schattens trifft die Ehefrau eine Entscheidung, die aber nicht als unerhört bezeichnet werden kann. Die beiden anderen Erzählungen („Der Bürgermeister von Teltow“ und „Die Cellistin“) haben magische Momente, diese mögen von einer Überarbeitung herrühren oder dem Wunsch einen Menschen zu begegnen, der längst tot ist.
Alle Geschichten spielen in der Nähe des Teltowkanals, im Südwesten zwischen Berlin und Potsdam. Hartmut Lange ist ein präziser Erzähler, selbst in diesen Kurzgeschichten nimmt er sich die Zeit nicht einfach nur von Wurzelwerk zu schreiben, sondern es ist der „Japanische Staudenknöterich“, der dem Spaziergänger das Spazierengehen erschwert. Es sind die Krähen, die in Schwärmen auftreten und eine Atmosphäre à la Hitchcock heraufbeschwören.
Die Lektüre lohnt durchaus!