Auf fast 600 Taschenbuchseiten breitet Philip Kerr einen weiteren Thriller um Bernie Gunther aus: „Die Adlon Verschwörung“. Im Original „If the Dead Rise not“.
Wir lesen zunächst von der Zeit im Jahre 1934 in Berlin, wo Gunther seinen Polizeidienst längst hatte quittieren müssen, denn als bekennender Anhänger der Weimarer Republik kann man in Nazideutschland nicht mehr im öffentlichen Dienst tätig sein. Er arbeitet als Hoteldetektiv im Hotel Adlon. Er ist einem Mörder auf der Spur, der sich viel Geld im Zusammenhang mit dem Bau des Olympiastadions ergaunert. Er begegnet Noreen Charalambides, einer amerikanischen Journalistin, die die Teilnahme der USA an den Olympischen Spielen 1936 verhindern möchte.
Sie werden für wenige Wochen gemeinsam versuchen, dem ausgemachten Ganoven Max Reles das Handwerk zu legen. Der erste Kuss zwischen den beiden wird von Gunther wie folgt beschrieben: „Sie schmeckte besser als zart gesalzene Butter auf frisch gebackenem Brot.“
Die Lesenden können sich an Sätzen wie den folgenden erfreuen oder ärgern: „Die Deutschen machen immer dann Probleme, wenn sie anfangen, darüber nachzudenken, was es bedeutet, Deutscher zu sein.“ Oder: „Ein Berliner ist ein Mensch, der meint, es wäre am besten, ein klein wenig weniger höflich zu sein, als es die meisten Leute für notwendig erachten.“
Ich verrate natürlich nicht, wie die Geschichte 1934 endet.
Der Erzähler macht dann einen Sprung nach Havanna in das Jahr 1954. Sollte ich jemals einen Roman schreiben, der in der kubanischen Hauptstadt spielt, würde ich ihn mit einem Zitat aus dem Roman von Kerr einleiten.
„Wenn der Wind aus dem Norden weht, kracht die See in die Hafenmauer des Malecón de La Habana, als wäre sie von einer belagernden Armee vorangeschickt worden, um in Havanna einen Umsturz herbeizuführen. Tausende von Litern Wasser werden in die Luft geschleudert und regnen auf die breite Uferpromenade herab. Sie waschen den Staub von den amerikanischen Limousinen, die in Richtung Westen unterwegs sind, und sie durchnässen jene Fußgänger, die wagemutig – beziehungsweise dumm – genug sind, im winterlichen Wetter entlang der Mauer spazieren zu gehen.“
Gunther trifft hier „seine“ Noreen wieder und auch Max Reles. Die Zeit in Havanna scheint nur ein Schätzwert zu sein. Noreens Tochter Dinah will ausgerechnet Reles heiraten, der ihr eine Hollywood-Karriere versprochen hat. „Doch letztlich, wenn alles gesagt und getan ist, musste man doch immer wieder feststellen, dass Optimismus nichts weiter ist als eine jener naiven Hoffnungen, die sich aus schierer Unwissenheit speisen.“
Reles wird ermordet aufgefunden, Gunther in die Ermittlungen eingebunden und fast am Ende dieses spannenden Romans muss er feststellen: „Nach so vielen Jahren habe ich mich immer noch nicht ganz mit meiner eigenen Bedeutungslosigkeit abgefunden.“
Natürlich überrascht uns Lesende der Autor noch mit einer letzten Wendung, aber mehr verrate ich nicht.