Der kleine Jaron Verlag gibt „Die Berlin Bibliothek“ heraus. Hier fand ich unter anderem wundervolle Romane von Alice Berend. Heute möchte ich einen weiteren Roman einer anderen Autorin in der genannten Reihe empfehlen: „Die glückliche Hand“ von Rahel Sanzara.

Wer diese Autorin war, kann man in dem Nachwort dieses Romans nachlesen oder in dem schmalen Wikipedia Eintrag.

Der Stil ist gewöhnungsbedürftig; fast atemlos reihen sich die Sätze aneinander. In wenigen Zeilen vermag die Autorin eine ganze Geschichte zu skizzieren.

Die angehende Krankenschwester Lotte Schuhmacher, ein durchschnittlich begabter Mensch, eine durchschnittlich aussehende junge Frau, schafft ihre Prüfungen mit Ach und Krach. Sie beweist aber in wichtigen Momenten ein Gespür für eine Situation, sie hat eine „glückliche Hand“.

Sie übersiedelt von Berlin aufs Land und kümmert sich um einen Patienten, der sie mag, weil sie nicht viel redet, mit dem sie vor allem Spaziergänge unternehmen muss. Und nun zu dem oben bereits angesprochenen „Stil“: „Er hatte keine andere Pflegerin so gut ertragen können wie sie, die ebenso wenig sprach und ebenso wenig an dem Getriebe der Welt interessiert war wie er. Lotte blieb über ein Jahr bei ihm, ihre Gesundheit war bald wieder hergestellt, sie sah blühend aus, und zum Schlusse dieser Zeit stand sie vor ihrer Niederkunft.“

Sie wird das Kind in der Nacht auf einem Feld zur Welt bringen. Die Beschreibung dieser Geburt ist beeindruckend und zeugt von einer großen schriftstellerischen Begabung.

Überhaupt: Dieser Roman hat alles, was ich mir denken kann. Wundervolle Wortschöpfungen wie „Liebesfurcht“, „menschengierig“, „trostesdurstig“.

Lotte wird ihr Kind nicht aufziehen, das nimmt ihr die Mutter ab, die sittenstreng und geradezu calvinistisch ihre Tochter dazu zwingt, lediglich für das notwendige Geld zu sorgen. Lotte wird dies tun, neben ihrer Tätigkeit als Krankenschwester schreibt sie Erzählungen, die von Zeitungen gekauft und veröffentlicht werden. „Eines Tages trieb es Lotte dazu, das Gedränge ihrer Bilder und Phantasien niederzuschreiben …“. „…ihr eigenartig unbeholfener und doch mitreißender Stil machten sie (die Geschichten) indes lesbar, und wieder bewies sich Lottes glücklich genannte Hand.“

Ich werde nicht berichten, wie das Kind, der kleine Hermann, heranwächst und was sich weiter ereignet. Der erste Weltkrieg ändert alles und bevor die Geschichte eine neue Wendung nimmt, schließt die Autorin ein Kapitel mit einem einzigen Satz ab: „Der Krieg trennte auch Lotte von den Eltern.“

Sie wird noch zweimal Mutter, einmal im übertragenen Sinn und einmal noch physisch. Und ob sie wirklich immer eine „glückliche Hand“ besitzt, bleibt dem Urteil der Lesenden überlassen.

Mich hat dieser Roman angenehm überrascht und gefangen genommen!

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