Was für ein Buch!
Der Name Edmund Edel sagte mir bislang nichts. Er lebte zwischen 1863 und 1934. Einer Kritik aus dem Jahre 1909, die im Anhang des zu besprechenden Buches zu finden ist, entnehme ich, dass Edel Maler und Karikaturist war und „nur im Nebenamte Schriftsteller“.
Das Buch „Berlin W.“ hat einen Untertitel: „Ein paar Kapitel von der Oberfläche“. Das Buch ist kein Roman, es enthält Beschreibungen aus dem Alltag der Oberschichtfamilien, die aus dem eigentlichen Berlin der damaligen Zeit in die westlichen Nachbarstädte Charlottenburg, Schöneberg und Wilmersdorf gezogen waren. Hier bewohnen sie Villen oder leben in großzügigen Wohnungen.
Das Buch ist mit Karikaturen des Autors bebildert und die Lektüre ist ein großes durchgängiges Vergnügen.
Die geschilderten Personen, in meiner Familie hörte ich als Kind häufig den Begriff der „Neureichen“, versuchen Empfänge zu geben, sind bestrebt, die jungen Töchter „anständig zu verheiraten“. Man versteht nichts von Kunst, legt sich aber Bilder von Künstlern zu, die gerade in Mode sind. „Frau Direktor M. schätzt sich glücklich, dass sie sich voriges Jahr von jenem berühmten Maler hat malen lassen, dessen geistreiche Bilder die letzten Ausstellungen so verblüfft haben, und dass sie aufgefasst ist, wie es eine moderne Frau verdient, aufgefasst als Farbenfleck, als Grau in Grau à la Manet und ohne Rücksicht auf sogenannte Familienähnlichkeit, die man ja bei Bieber und auf den übermalten Fotografien haben könnte.“
In einem sehr sorgfältig zusammengestellten Anhang findet sich dann auch ein Eintrag, wer Bieber war.
Ich lernte viel bei der Lektüre. So beispielsweise, dass der Zoologische Garten – „Eine Oase der Ruhe im Getümmel“ – mit einer „Läster-Allee“ ein Ort der Begegnung zum Austausch von Klatsch und zur wechselseitigen Musterung war.
Das Buch ist ein Schatzkästchen und es bringt eine längst vergessene Zeit uns näher. In einem Kapitel wird über die Menschen in der Sommerfrische berichtet. Der Mann bleibt zurück, kommt aber an den Wochenenden an die Ostsee oder wo auch sonst die Familie nebst Bediensteten Urlaub macht.
„In den Strandkörben und in den Zelten raunt es und raschelt es von zarten Seufzern, von schneller, rasch gepflückter Liebe, die Sehnsucht blickt zu den Sternen und das ‚Fräulein‘ schmiegt sich an den Herrn aus der Kantstraße in Charlottenburg.“
Dieses Buch ist formidabel!
Vertrauen Sie mir, ich weiß, was ich Ihnen empfehle.