„Herr Harald hat einen Nachnamen erst nach Dienstschluss oder vor Dienstantritt.“ Herr Harald arbeitet als Garderobenmann in der Oper, zuweilen hilft er auch in der Philharmonie aus. Er ist ein „sonderbarer“ Zeitgenosse. Alleinlebend, seine Tage gut geplant, die freien Tage ebenso wie diejenigen, die er abends hinter seinem Tisch verbringt. Die Garderobe vor der Vorstellung entgegennehmen und nach der Vorstellung wieder aushändigen. Zwischendrin ein wenig Italienisch lernend oder Radio hörend über vieles nachdenkend.

Danach kann dann Herr Harald mit dem guten Gefühl zu Bett gehen, „den Tag tüchtig bestanden zu haben“.

Er macht sich Notizen, kürt nach längerem Nachdenken ein Wort des Monats und lebt zurückgezogen so vor sich hin. Bis ihm bei einem Konzert, das er an einem seiner freien Tage besucht, die „Umblätterin“ auffällt, also jene Person, die an Soloabenden einem Pianisten die Partitur umblättert. Er imaginiert eine Bekanntschaft mit ihr, ja vielleicht sogar mehr.

Es kommt noch mehr „Leben“ in sein Dasein, da eines Tages eine Katze vor seiner Haustür auftaucht und offensichtlich beschlossen hat, sich zumindest zeitweise von Herrn Harald verköstigen zu lassen.

Als dann auch noch eines Tages ein Mantel nach der Aufführung nicht abgeholt wird und Harald in dem eine Schreckschusspistole findet, ist es um die Ruhe des ruhigen Haralds geschehen.

Was sich nun alles ereignet, kann ich an dieser Stelle nicht verraten. Was ich allerdings nicht verschweigen will, ist das große Lesevergnügen, das mir der Roman „Dagegen die Elefanten!“ von Dagmar Leupold bereitete.

Frau Leupold ist eine feine Beobachterin und eine präzis beschreibende Schriftstellerin. Man merkt ihr an, dass sie auch Gedichte verfasst hat, weil sie voller Poesie Kleinigkeiten uns näherzubringen vermag.

Einige Beispiele: „Die Umblätterin föhnt ihr Haar, das im warmen Wind urlaubt.“

„Durch das Küchenfenster dringt schlechtgelauntes Licht, das bereits anderswo im Einsatz war und nur noch spärlich auftritt.“ …ein leichter Wind trägt aus der Ferne frühen Fliederduft heran, zu sehen ist der Fliederbusch nicht.“ „…würde ich also niederknien und mich mit gefalteten Händen auf die Ellbogen stützen, dann würden sie mir nützen und mich schützen.“

„Die Musik lässt ihn nicht ein, wie eine Eiswand ragt sie vor ihm empor und weist ab.“ …am Himmel verzankte Wolken.“

„Der zehnte Monat bricht glanzvoll an, mit honigfarbener Lichtverausgabung…“

Die Autorin beschreibt den leicht autistischen Harald, als er Urlaub hat, wie folgt: „Ausnahmsweise gewährt er sich zwei freie Tage vom Lernen. Das mit den Ausnahmen ist heikel: Zu viele zuzulassen, ist gefährlich, dann bröckeln die stützenden Vereinbarungen, und der Mensch wird nachlässig; zu wenige Ausnahmen einzuräumen, birgt dagegen das Risiko, dass die getroffenen Vereinbarungen allzu mechanisch eingehalten werden, dann führt ihre Befolgung zum Versiegen der Energie.“

Und sie rückt Harald mit einer kurzen Andeutung in die Nähe des Schreibers Bartleby: „Nichts erinnert und nichts gelernt, einfach nur Fieber gehabt und getrödelt, zu allem ‚ich würde lieber nicht‘ gesagt.“

Er ist eloquent, allerdings meist nur in Gedanken, die Sätze, die er wirklich „herausbringt“ sind bisweilen sehr verkürzt. So kommt auch der wenig erhellende Romantitel zustande.

„Dagegen Muße“ oder „Dagegen die Haut!“ sind zwei weitere Äußerungen, die Harald absondert. Und es liegt nahe, dass der Tierfilm: „Das soziale Leben der Elefanten“, den er im Fernsehen sah, eine Reaktion auslösen kann, wenn sich Menschen nicht sozial verhalten.

Ich kann die Lektüre dieses Romans sehr empfehlen.

Vertrauen Sie mir, ich weiß, was ich Ihnen empfehle.

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