Das Leben schreibt die besten Geschichten, die spannendsten Kriminalromane, die herzzerreißendsten Dramen. Man stelle sich vor, dass ein 16-jähriger Junge auf einem Schiff anheuert, nachdem er an der Aufnahmeprüfung für die militärische Hochschule gescheitert war. Als er nach einem guten Jahr wieder zurück in der Heimat ist, scheitert er wohl erneut und nun erlaubt der Vater, ein angesehener Jurist im Staatsdienst, dem Sohn in das Atelier des Malers Thomas Couture einzutreten. Nur wenig später lernt er die nur wenig ältere Klavierlehrerin seiner Brüder kennen. Sie bekommt 1852 ein Kind und, so schreibt der Autor des großartigen kleinen Buches, „einige schreiben die Vaterschaft Edouard zu, andere seinem Vater – die Frage ist bis heute nicht geklärt.“

„Suzanne Leenhoff gab Léon als ihren jüngeren Bruder aus und Edouard Manet (1832 – 1883) als dessen Paten.“ Am 28. Oktober 1863 werden Edouard und Suzanne schließlich heiraten, Léon wird Suzannes einziges Kind bleiben.

Später wird der Sohn oder Halbbruder ein Gemälde Manets zerschneiden (eine Fassung der Erschießung Kaiser Maximilians), die Fragmente werden von Edgar Degas wiedergefunden und lassen sich heute in der National Gallery in London bewundern. Im Gemälde „Die Mahlzeit“ stand „Léon Lehnhoff Modell für die frontale Dreiviertelfigur des jungen Mannes, der sich mit seinem Gesäß ungehörig auf die Tischkante setzt und dem Mann mit Bart und Zylinder, der rechts hinter dem Tisch sitzt, den Rücken zuwendet.“ Das Gemälde kann man in der Neuen Pinakothek in München bewundern.

Manet war ein politischer Kopf. Er war ein Gegner von Napoleon III. und seine politischen Ansichten kommen auch in seinen Gemälden zum Ausdruck: In der „beflaggten Rue Mosnier“ ist unter anderem ein Einbeiniger auf Krücken zu sehen, „ein Opfer des Krieges von 1870“. … „Im Gegensatz zu Manet zeigte Claude Monet in seinen zeitgleichen Wiedergaben von zwei beflaggten Straßen Farborgien in Rot-Weiß-Blau, … ohne das Fest der Farben mit einer Erinnerung an das Kriegsgeschehen zu trüben.“

Doch auch damit nicht genug, was die Lebensgeschichte des großen Malers bereithält: Er wird 1883 ebenso an der Syphilis sterben, wie einundzwanzig Jahre zuvor sein Vater Auguste.

Der Kunsthistoriker Oskar Bätschmann hat ein großartiges kleines Buch (in der C. H. Beck Wissen-Reihe) vorgelegt, welches ich nur jedem an Malerei Interessierten empfehlen kann. Der schmale Band enthält 37 schwarz-weiß Abbildungen und zwölf Farbtafeln.

Ein großartiger Einstieg in das Werk eines der bedeutendsten Maler des 19. Jahrhunderts.

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