Joachim Meyerhoff hat es wieder getan und einen weiteren Band seiner Erzählungen über die ihm nahen Menschen und – vor allem – sich selbst vorgelegt. Der Titel „Man kann auch in die Höhe fallen“ ist absurd. Er gibt seine Quelle preis, Hölderlin, und zitiert den Satz, dass die Schwerkraft verhindert, dass dies geschieht, weil „die Schwerkraft in nüchternem Besinnen liegt“.

Der Autor fügt Geschichten zusammen, die er geschrieben hat, als er sich mehrere Monate auf dem Hof der Mutter nach seinem Schlaganfall wieder erholen wollte. Es sind brillante Geschichten und weniger brillante. Früh überkam mich der Eindruck, dass der Verlag einen weiteren Bestseller erwartete und der Autor irgendwie liefern musste. Da greift man dann schon in die Mottenkiste und kramt die erste Geschichte des siebenjährigen Jungen hervor und druckt die Krakelei „original“ über viele Seiten in das Buch.

Dabei kann der Mann schreiben: „Das am Horizont aufdämmernde Licht löschte Stern für Stern am Firmament“. Oder: „Ich ging ins Haus zu den Büchern. So viele hatte ich gelesen und erinnerte mich an so wenig. Eigentlich, dachte ich, ist diese Bücherwand eine Art von Friedhof, die Buchrücken Hunderte Grabplatten mit Inschriften wie in einer Urnenhalle und ich bin ein Besucher voll verblassender Erinnerungen an die Verstorbenen.“

Er beschreibt liebevoll die arbeitende Mutter, die Haus und den riesigen Garten in Ordnung hält. Eine Frau von Mitte achtzig, die im Meer badet, auf Leitern steigt, in Apfelbäume klettert, um die letzten Äpfel zu ernten. Man würde mit der Arbeit nie fertig werden: „Es war eine Überlebensstrategie.“

Weil der Autor nicht genug Material für sein „reines“ Mutterbuch zusammen bekommt, greift er immer wieder auf die vielen Erlebnisse zurück, bei denen er als Schauspieler Zeuge war. Und schon die Überschriften dieser Kapitel machen Lust auf das Lesen: „Applaussammler“, „Schuld und Bühne“ und „Der Beichtstuhl“.

Ein Höhepunkt des Buches ist das Kapitel „Mutter klettert zu den Sternen“!

Mutter und Sohn klettern auf das Stalldach und: „Wir verstummten beim Anblick der millionenfach besternten Unendlichkeit.“

Ein weiterer Höhepunkt des Bandes ist die Erzählung von der Lesung in einem Lübecker Buchladen. Der Autor ist nicht fähig zu lesen. Von Panikattacken gequält, der Angst wieder einen Schlaganfall zu erleiden, überlässt er der Mutter die Lesung. Und die alte Dame macht ihre Sache offenbar so großartig, dass weitere Einladungen folgen werden. Zu dem Zeitpunkt stand, der von mir oben bereits kritisierte Titel noch nicht fest und sie erklärt dem Publikum, worum es in dem Buch geht: „Es geht um das Theater und ja wohl auch um mich.“

Nein, dieser Roman ist nicht mein Lieblingswerk des von mir außerordentlich geschätzten Autors, aber es ist eben doch „ein Meyerhoff“.

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