Ich las Kerrs „Berlin Reportagen“ ebenso wie viele seiner stilbildenden Theaterkritiken. Jetzt erschien im Aufbau Verlag ein schmaler Band seiner italienischen Reiseaufzeichnungen: „Ja, es ist ein Zauberort- Italienische Reisen“.  Die Berichte sind aus den Jahren 1898/99. Und dann gibt es einen Reisebericht über Korsika und Elba aus dem Jahre 1930. Dieser Bericht zeichnet die Spurensuche des Lebens von Napoleon Bonaparte nach. Aber dazu gleich mehr.

I.

Es ist die poetische Sprache, die Alfred Kerr auszeichnet, die seine Texte so lesenswert macht. Einige kleine Beispiele mögen diese Aussage erhärten:

„Die Milchstraße glomm über uns.“

„(Und einmal sah ich im Vorbeischreiten, beim schmalen Durchblick in eine schmale Ferne, die Seufzerbrücke nächtlich schweben – die fallenden Wasser weinten an ihr herab.)“ oder „…zwei Turmkuppelchen – sie kosen das Auge …“

Es ist der scheinbare Widerspruch, den er  in seinen Sätzen manchmal so treffend zusammenfügt: „blödsinnig hübsch“!

Es ist die apodiktische Art seiner Thesen, die uns Lesende zum Nachdenken, zum Widerspruch oder zum Nachgeben veranlassen.

„Italien ist: Hellas für Unbemittelte. Taormina: Ersatz für die Akropolis. Wie der Königssee ein verbilligter Fjord ist.“

„Hättest Du es erblicken können, Jean Paul! Du hast es nur beschrieben; nie gesehen. Wie der arme Schiller nicht in Wilhelm Tells Land gekommen ist: so trugen Dich allein die Fittiche Deines glühenden Herzens auf die Inseln der Borromeer.“

Aus Florenz vermeldet er: „Ich hatte mir Phantastisches gedacht … und fand einen geräuschvoll geschäftereichen Ort. (Nach Venedig ist es schwer, hier zu leben.) Glaubet mir , liebe Freunde, es gibt auch einen Italien-Schwindel. Es wird übertrieben!“

Und dann aus Padua kommt eine Beschreibung, die kunstinteressierte Menschen auch heute noch genauso empfinden können (egal ob auf Padua oder jedem beliebigen anderen Ort, mit sehr viel Kultur, bezogen) Er schreibt über die Kirche des Heiligen Antonius, in der Werke Donatellos besichtigt wurden. Und fährt fort: „Und am nächsten Vormittag in Padua erfuhren wir aus dem Reisebuch…. dass es noch herrliche Fresken von Giotto zu sehen gibt… und wir sprachen: o weh, es gibt hier noch herrliche Fresken von Giotto! (Denn unser Sinn war auf die Welt, auf die Luft, auf die Straße gerichtet.)“      Ja so kann es uns kunstbeflissenen Menschen auch heutzutage genauso gehen.

Und immer wieder der Vergleich mit Venedig, so aus Genua: „Ich bin ein alter Venezianer, völlig ausgepicht; es kommt gegen diese Stadt nichts auf.“

II.

Und nun Korsika, die Insel der Schönheit. In Deutschland haben die Nazis bei der Reichstagswahl mehr als 16% der Stimmen gewonnen. Es wird eine Regierung unter Kanzler Brüning ohne Beteiligung der SPD gebildet. Alfred Kerr lässt an einigen Stellen die Sorge über den Zustand und die Zukunft seiner Heimat durchscheinen:

„Ich stelle mir, wenn ich in die nächste Zukunft blicke, das Leben unter Räubern immer noch netter vor als unter –„

Über den Strand von Ajaccio schreibt er die wahren Worte: „Dies ist (nämlich Korsika) das noch nicht verlorengegangene Paradies. Jegliche  ‚Riviera‘ bleibt ein Hund dagegen.“

Und immer wieder der unvergleichliche Stil dieses begnadeten Autors: „Nun Piana. Die Sonne sank. Der Wirt von Piana schmeichelte sich durch eine Languste rasch in die Herzen.“

III.

Für alle, die sich inspirieren lassen wollen, für die Reisen nicht nur im Abhaken von Sehenswürdigkeiten besteht, ist dieses Buch eine Inspirationsquelle!! Denn: „Es gibt allerhand Lebensgipfel im Dasein.“

IV.

Ein blödsinnig gelungenes  Buch!

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