Vor Jahren hatte die Süddeutsche Zeitung in zwei Tranchen insgesamt 100 große Romane des 20. Jahrhunderts herausgegeben. Wohlfeile Lizenzausgaben zum Preis von jeweils 5 €. Ich deckte mich damals reichlich ein mit jenen mir unbekannten Romanen von mir manchmal sogar unbekannten Autoren. Zu einem solchen Exemplar griff ich nun unlängst: „Zeit der Nähe“ von William Maxwell.

Der Roman spielt in den frühen zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Chicago. Der Roman erschien 1945 in den USA unter dem Titel „The Folded Leaf“. Er ist nach unseren heutigen Kategorien eine „Coming of Age“ Geschichte. Zwei Jungen, die unterschiedlicher kaum sein können, freunden sich an. Spud, der Sportler, rettet beinahe nebenbei Lymie, dem jungen Intellektuellen, beim Schwimmunterricht das Leben. Lymie, dessen Mutter früh starb, hält sich von den anderen jungen Leuten fern, die in einem bestimmten Café verkehren, welches Lymie nur von außen besichtigt. Die Cafébesucher kommen bei ihm nicht gut weg: „Sie verfügten über einen Vorrat von feststehenden Redensarten, die sie immer wieder anwendeten, und die Tatsache, dass es in der Welt eine Menge von Dingen gab, von denen sie nichts wussten und die außerhalb ihrer Erfahrung lagen, beunruhigte sie nicht.“

Der Autor verfügt über die große Gabe, mit wenigen Sätzen einen Charakter entstehen zu lassen: „Evans Latham [Spuds Vater] war ein ehrlicher und fähiger Mann. Er hatte sein ganzes Leben schwer gearbeitet und nur immer daran gedacht, dass er für seine Familie sorgen müsse, doch irgendwie war immer alles anders gekommen, als er es beabsichtigt hatte.“

Lymies Vater schildert der Autor folgendermaßen: „Seine blutunterlaufenen Augen und seine leicht zitternden Hände verrieten, dass Mr. Peters zu viel trank. Das Alter verfährt mit Leuten, die ihr Leben lang sogenannte lustige Kumpane waren, wahrscheinlich um nichts unfreundlicher als mit anderen, aber irgendwie tritt der körperliche und moralische Verfall bei ihnen stärker in Erscheinung.“

Spud bringt Lymie mit zu sich nach Hause und der wird gut aufgenommen. Der junge fühlt sich wohl in der Familie Latham. Aber Spud ist eifersüchtig auf Lymie: „Seine Mutter schimpfte auf jene gutmütige Art mit Lymie, wie sonst nur mit ihm. Er verspürte einen fast schmerzhaften Stich von Eifersucht.“

Während Spud boxt und sein Körper immer muskulöser wird, bleibt Lymie untergewichtig und wird durch einen Ferienjob eher noch „rundschultriger“. „Vielleicht nahm er das Körperliche zu wichtig. Schließlich stellt es doch nur eine von den kleinen Hürden im großen Hindernisrennen des Lebens dar.“

Dann treten Mädchen in ihr Leben: Sally und Hope. Sally wird die Freundin von Spud. Hope, die sich für Lymie interessiert, wird von dem jungen Mann jedoch gar nicht wahrgenommen. Zu sehr ist er damit beschäftigt, seinem Freund zur Hand zu gehen, ob es sich um das Binden der Boxhandschuhe oder das Zureichen eines Handtuchs handelt. Und dann ist er sicherlich auch irgendwie in Sally verliebt.

Natürlich spürt das Spud und die Eifersucht kann er kaum im Zaum halten.

Die Situation spitzt sich zu und was dann passiert, wird hier nicht verraten.

Ich habe durch die Lektüre dieses Romans einen interessanten Schriftsteller kennengelernt. Es versteht sich, dass ich den Roman gern zur Lektüre weiterempfehle.

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