Zum Abschluss des Jahres eine vergnügliche Lektüre aus dem Leben des deutschen Großdichters Thomas Mann. Ein Roman, der sich um einen Besuch des Nobelpreisträgers in Düsseldorf im Jahre 1954 rankt. Er kommt in die vom Krieg schwer gezeichnete Rheinmetropole, um aus seinem Spätwerk, dem Felix Krull, zu lesen. Mann nebst Gattin Katia und Tochter Erika steigen im Breidenbacher Hof ab, justament in jenem Hotel in dem auch Klaus Heuser nebst Lebensgefährten logiert.

Heuser war als junger Mann in München, im Gefolge von Erika und Klaus Mann, dem Schriftsteller begegnet. Kurz brach sich Manns homophile Neigung Bahn und er wird das nicht ausgelebte im Josephs-Roman verarbeiten. Heuser trägt des Josephs Züge. Erika und Katia Mann wollen verhindern, dass sich die beiden nach vielen Jahren wiederbegegnen.

Das Geschehen des Romans, jedenfalls weitgehend findet sich zu Beginn des Kapitels „Gala“ vom Autor Hans Pleschinski zusammengefasst: „Klaus Heuser setzte sich auf eine Bank in der Jägerhofallee. Es war ein Fehler gewesen, Asien zu verlassen. Daraus hatte sich der Kurzaufenthalt bei den Eltern ergeben, die Flucht ins Hotel, wobei kein Prophet hätte menetekeln können, dass unangemeldete Besucher die Mansardenzimmer überrennen würden, um zu singen, zu betteln, niederzuknien und mindestens ein Jahrhundert Revue passieren zu lassen.“

Natürlich wird es zu einer Begegnung kommen, natürlich ist diese Geschichte durch viele Dokumente gesichert und Pleschinski ist ein Meister, sich des Stils von Thomas Mann zu bedienen. Beispielsweise: „In Schulkollegien fand sich manch bizarrer Charakter und verwahrloste schleichend.“ Oder: „Der Tod lehrt Frömmigkeit und den Sinn für das Erhalten.“ Ein weiteres Beispiel: „…der Puder körnte leicht auf sommerlicher Transpiration.“ Oder er spielt mit der Figur des Großschriftstellers in seinem Roman: „…doch womöglich fühlte sich Thomas Mann selbst neuerlich oder erstmals wie in einem Roman.“

Der Höhepunkt der Lektüre für mich ist das Kapitel mit der Überschrift „Das Siebente Kapitel“. Hier hat sich der Autor in den Kopf des Nobelpreisträgers versetzt und wir können dessen morgendlichen Gedankenströmen folgen.

Oder ist vielleicht der Höhepunkt der Lektüre das Interview des Autors mit einer Journalistin der „Lübecker Nachrichten“. Der Autor, von seiner Gattin Katia behütet, beschützt und ihren Thommy beistehend, wenn es notwendig erscheint. So ganz nebenbei handelt Pleschinski eine kurze Geschichte des Aufstiegs von Düsseldorf am Beginn des Kapitels „Besuch von der Trave“ ab: Großartig in wenigen Zeilen aufgefächert.

Oder ist es das Kapitel, in dem die Lokalgrößen den nobilitierten Gast erwarten und begrüßen und nicht immer den ganz richtigen Ton treffen: „Thomas Mann bleibt aber, das weiß man, der bedeutendste Lehrer im Stilistischen. Wohl nie ein unpassendes Wort. Der hat noch Bildung geschlürft wie die Germanen Met. Der Mensch ist offenbar die leibhaftige Lust an der Bildung. Wer die Sprache hat, …, der hat auch die Gedanken. Und Gedanken brauchen wir. Sonst blöken sich alle irgendwann nur noch stumpfsinnig an.“

„Meine Herren, … der Nutzen von Kunst ist nicht messbar. Ohne Kunst hätten wir ausschließlich Thyssen, Mannesmann, Henkel und die Wohnunterkünfte drum herum. Das darf nicht der ganze Rahmen unserer Erdentage sein. Ja, der Sinn aller Tüchtigkeit ist, Zeit und Anleitung zur Muße zu finden. Die Künste adeln uns und nicht die Lohntüte und die Titel, … im Grunde meine ich, dass der Mensch nur arbeitet, um faul sein zu dürfen.“

Oder ist es das Kapitel, in dem die Tochter skizziert wird? Ihr wird in den Mund gelegt: „Es gab doch nicht nur Kadavergehorsam, sondern auch Lessing und frohe Lieder, Gastlichkeit und friedvolle Opferbereitschaft. Womöglich, ja, wird eines fernen Tages niemand mehr nachfragen, warum Deutschland mit heller Begeisterung zerstören und morden wollte, es sinnt auch kaum jemand mehr darüber nach, aus welchem Furor vor Jahrhunderten Katholiken und Protestanten aufeinander lospreschten, um sich gegenseitig möglichst spurlos auszurotten.“

Ich spare mir die Frage, ob nicht die anderen Kapitel des Romans noch großartiger sind.

In der Summe ergibt dies ein riesiges Lesevergnügen!

Der Roman von Hans Pleschinski führt den schlichten Titel „Königsallee“.

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