Die Germanistin Susanne Stephan hat ein sehr unterhaltsames und lehrreiches Werk über den Zusammenhang der Heizung, der Wärme, der Behaglichkeit und dem Verfassen von Literatur vorgelegt. „Der Held und seine Heizung“ nennt sie das fundiert recherchierte und sehr lesenswerte Werk.

Als Leitfaden dienen der Autorin die verschiedenen Heizungsformen und die unterschiedlichen Brennstoffe. Sie ist bei der Quellenforschung tief eingetaucht und fördert viele interessante Geschichten an die Oberfläche. Dabei hat sie ihre Lieblingsschriftsteller (allen voran Rilke und hier den Malte Laurids Brigge), aber das sei ihr verziehen.

So schreibt sie über einen der größten europäischen Denker: „Der Mensch muss es nicht als Schicksal hinnehmen, sein Leben in zugigen, verqualmten Räumen mit ungleicher Hitze zu verbringen. Descartes empfiehlt also den Auszug des Menschen aus dem selbstverschuldeten Qualm, real wie symbolisch!“

Sie berichtet über Goethe: Er nimmt Karl Philipp Moritz, mit dem er einen Teil seiner „Italienischen Reise“ unternommen hatte, für einige Zeit bei sich in Weimar auf. Man spricht am Kamin oder Ofen miteinander und Goethe vermerkt, wie in einer diplomatischen Presseerklärung: „Wir klären uns über Manches und werden wechselseitig über vieles klar.“

Über Goethes Straßburger Studienfreund, dem Schriftsteller Johann Heinrich Jung-Stilling, weiß sie zu berichten, dass er nach seiner Berufung zum Professor für Kameralwissenschaft eine verantwortungsvolle Forstwirtschaft lehrte und in zahlreichen Schriften Ratschläge zum ‚höchstnotwendigen‘ sparsamen Holzverbrauch, zur Beachtung einer ‚mäßigen Stubenhitze‘ und Anlage von Holzvorräten sowie einem Austausch alter Öfen gegen technisch weiter entwickelte gab.“

Ihren besonderen Freund Rilke, beschreibt sie als Wanderer „von einer mäzenatischen Feuerstelle zur nächsten“ ziehend. Ein Schriftsteller, der sich „von konkreter wie metaphysischer Obdachlosigkeit bedroht“ sieht.

Die Lesenden lernen den „Brennender Berg bei Dudweiler“ kennen; „ein Kohlenflöz, das im 17. Jahrhundert in Brand geraten und nicht zu löschen war (bis heute schwelt es in der Tiefe).“

Die Autorin kreiert gelungene Metaphern: „An die Stelle der prometheischen Fackel tritt der Kohlenkorb.“ Und „Literatur als Umspannwerk von Gefühlen und Gedanken“. Oder sie zitiert Dichter wie Ralph Waldo Emerson: „Die Alten brachten das Feuer, die Modernen sammeln Kohle.“ Oder Hawthorne: „Die Metaphern leben am längsten: Feuertopoi leisten noch ihren sprachwärmenden und -erleuchtenden Dienst, wenn im alltäglichen Leben selbst längst keine Flamme, keine Glut, keine Asche mehr zu sehen sind.“

An einer einzigen Stelle hat sie zumindest ungenau formuliert: Sie berichtet über 1816, das Jahr ohne Sommer: „Veränderungen im Farbspektrum, die Turner wie auch Claude Monet in ihren Londonbildern festgehalten haben.“  Das stimmt auf Turner bezogen, aber nicht auf Monet, der malt später zwar den „Smog of London“, allerdings nicht 1816; er wurde nämlich erst 1840 geboren.

Sie wendet sich Theodor Fontane zu: Der schreibt 1895 aus Karlsbad an seine Tochter Martha: „Das Leben, Gott sei Dank, ist kein Tummelplatz großer Gefühle, sondern eine Alltagswohnstube, drin das sogenannte Glück davon abhängt, ob man friert oder warm sitzt, ob der Ofen raucht oder guten Zug hat. Liebe ist gut, aber sie lässt sich nach Minuten berechnen, alles andere hat lange Stunden.“

Und an anderer Stelle darf auch Fontanes Wortschöpfungsgewalt aufleuchten: „Generalweltanbrennung“!

Fast am Ende ihres Ritts durch die Literatur der Heizung, der Wärme, der Brennstoffe zitiert sie aus der Dankesrede der polnischen Schriftstellerin Olga Tokarczuk anlässlich der Entgegennahme des Literaturnobelpreises: „Was geschieht, aber nicht erzählt wird, hört auf zu sein und vergeht.“

Susanne Stephan, die ihrem Werk einen umfangreichen Anmerkungsapparat ebenso wie ein Literaturverzeichnis beigestellt hat, sorgt dafür, dass „die Glut unter einer dicken Schicht Asche“ erhalten bleibt.

Ein grandioses Werk!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert