In der C. H. Beck Reihe Wissen ist vor einigen Jahren der Band „Vincent van Gogh“ von Uwe M. Schneede erschienen. Die kurze Version seiner Biographie hat grandios Rainer Maria Rilke in „Briefe über Cézanne“ vorgelegt: „Kunsthändler, und da er nach drei Jahren irgendwie einsieht, dass es nicht dies war, kleiner Schullehrer in England. Und mittendrin der Entschluss: Geistlicher zu werden. Er kommt nach Brüssel, um Griechisch und Lateinisch zu lernen. Aber wozu der Umweg? Gibt es nicht irgendwo Menschen, die weder Griechisch noch Lateinisch von ihrem Prediger verlangen? So wird er, was man Evangelist heißt, und geht ins Kohlengebiet und erzählt den Leuten das Evangelium. Im Erzählen beginnt er zu zeichnen. Und schließlich merkt er gar nicht, wie er still wird und nur noch zeichnet. Und seither tut er nichts anderes mehr, bis in seine letzten Stunden hinein, bis er sich entschließt, mit allem aufzuhören, weil er vielleicht wochenlang nicht würde malen können; da scheint es ihm natürlich, alles aufzugeben, das Leben vor allem. Was für eine Biographie.“

Und er fährt fort: „Ist es wirklich wahr, dass alle Welt so tut, jetzt, als verstünde sie das und die Bilder, die dabei entstehen? Müssten nicht doch im Grunde Kunsthändler und ebenso -kritiker ratloser oder gleichgültiger sein, diesem lieben Eifernden gegenüber, in dem auch wieder etwas vom heiligen Franz auflebte?“

Diese Zeilen wurden im Jahre 1907 geschrieben als die Werke des Malers zwar bereits verstärkt ausgestellt wurden, aber der am 27. Juli 1890 an den Folgen eines Selbstmordversuchs gestorbene Künstler, war von Weltruhm noch weit entfernt. Kaum zu glauben, dass der Mann, beziehungsweise dessen Bruder Theo, wahrscheinlich nur ein einziges Bild verkaufen konnte.

Dem Autor gelingt das Wunder, auf 100 Seiten die Entwicklung der Kunst des Malers im Zusammenhang mit seiner Biographie zu verknüpfen und für Laien verständlich darzustellen. Hilfreich ist dabei, dass van Gogh ein intensiver Briefeschreiber war, ein Erklärer seiner Werke, zumindest öffnet er den Lesenden und Betrachtenden damit neue Horizonte.

Für Menschen, die tiefer in das Œuvre van Goghs eindringen wollen, bildet dieses Büchlein einen ersten Zugang. Jetzt kann die vertiefte Auseinandersetzung mit dem mutmaßlichen Auvers-Zyklus beginnen; jetzt lohnt es sich die vielen in den Museen dieser Welt zugänglichen Werken anzusehen und zu genießen.

Und noch einmal soll Rainer Maria Rilke zu Wort kommen: „Van Gogh konnte ein ‚Intérieur d’Hôpital‘ machen und malte in den bangsten Tagen die bangsten Gegenstände. Wie hätte er sonst überstanden. Dazu muss man kommen und das fühl ich wohl, nicht mit Zwang. Aus Einsicht, aus Lust, aus Nichtaufschieben können, in Anbetracht des vielen, was zu machen ist. Ach, dass man nicht Erinnerungen hätte an Nichtgearbeitethaben, die immer noch wohltun. Erinnerungen an Stillliegen und sich wohltun lassen. Erinnerungen an durchgewartete Stunden, über dem Lesen irgendwelcher Romane -: und solche Erinnerungen haufenweise bis in die Kindheit hinein. Ganze Gebiete des Lebens verloren, selbst für das Wiedererzählen verloren, durch die Verführung, die immer noch von ihrer Müßigkeit ausgehen kann. Warum?“

Ein großes kleines Buch!

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